Verschwörungstheorien

Der Begriff Verschwörungstheorie ist äusserst schwammig definiert. Auch induziert er ein eher mystisches Bild: Man neigt dazu, sich eine dunkle Gruft mit zwielichtigen Gestalten in Kapuzenumhängen vorzustellen, die um einen Altar oder ähnliches stehen und monotone,
eingängige Mantras von sich geben. Vielleicht sieht das Bild bei euch etwas anders aus, es ist jedoch klar, dass der Begriff im Unterbewusstsein negativ behaftet ist. Meist dient er dazu, etwas, was nicht in unser allgemeines Weltbild passt, abzuwerten. Diese negativen
Denkautomatismen würde ich gerne mit diesem sehr fakten-, aber offen gesagt auch meinungsbasierten Artikel entgegenwirken. [1]


DISCLAIMER: Die Deutung der angeführten Quellen ist reine Interpretationssache und erhebt keinen Anspruch auf absolute oder offizielle Wahrheit. Da sie eventuell entgegen einer offiziellen Wahrheit steht, könnte es sich sogar um eine Verschwörungstheorie handeln. Doch urteilt selbst. Auch ich bin nicht frei von Vorurteilen und daher immer gerne bereit für eine gute, sachliche Diskussion.


Wie definiert man eine Verschwörungstheorie?
Die offene Definition von Verschwörungstheorie ist nach Michael Butter, Professor für amerikanische Literatur, die folgende: Alles ist geplant und miteinander verbunden, nichts ist so, wie es scheint. Folglich steht eine Verschwörungstheorie immer im Gegensatz zu einer offiziellen Wahrheit. Doch wie entsteht die «offizielle Wahrheit»? Und entspricht sie der Realität? Oder kann sie wie eine Verschwörungstheorie geschaffen werden? [2]


Woher kommt die «offizielle Wahrheit»?
Schon Mark Twain meinte einst: «Wenn Sie die Zeitung nicht lesen, sind Sie nicht informiert. Wenn Sie die Zeitung lesen, sind Sie falsch informiert.» Auch der Begriff «Medienrealität» deutet stark darauf hin, dass es den Medien möglich ist, eine eigene Realität zu schaffen.
Versteht man die Psychologie des Menschen, ist es leicht, sie so zu manipulieren, dass eine Scheinrealität geschaffen werden kann. Hier kommen vor allem zwei psychologische Prinzipen zum Tragen. Kurz beschrieben lauten sie: «Vorhandene Informationen werden überbewertet» und «nur, weil 50 Millionen Menschen etwas sagen, heisst das nicht, dass es wahr sein muss». [3] [4]
Schauen wir das uns etwas detaillierter an. Die menschliche Psychologie ist faul und tut sich schwer im Unterscheiden von verlässlichen und unverlässlichen Informationen. Hört, sieht oder liest man eine Information wiederholt aus unterschiedlichen Quellen, wird derer Glaubwürdigkeit eine unheimliche Kraft verliehen. So funktioniert übrigens auch Werbung. Nun könnte man glauben, durch die Medienvielfalt, die wir haben, erhalten wir zuverlässige und unabhängig geprüfte Informationen. Das ist leider nicht so. Erstaunlicherweise ist vielen Leuten der Begriff Nachrichtenagentur nicht oder nur am Rande bekannt. [5]

Was sind Nachrichtenagenturen?
Nachrichtenagenturen sind nationale oder internationale Korrespondentennetzwerke in verschiedenen juristischen Formen. Sie beliefern ihre Kunden, zum Beispiel eine Tageszeitung, mit Informationen zu aktuellen Ereignissen des Tages. Das dient dazu, dass kleinere Zeitungen ohne grosse Mittel geprüfte Informationen über internationale Ereignisse erhalten, ohne selbst einen Journalisten vor Ort haben zu müssen. Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass in zwei scheinbar unabhängigen Medien eurer Wahl jeweils fast derselbe Artikel drinsteht. Dann lest ihr eine praktisch unveränderte Agenturmeldung. Auch T-Online und Yahoo sind Verteiler von Agenturmeldungen. Vielfach steht am Anfang oder Schluss des Artikels, wo eigentlich der Name des Autors käme, so etwas die dpa oder APA. Die ist nicht das Kürzel des Autors, das sind zwei Beispiele grosser deutschsprachiger Agenturen (APA: Austria Press Agentur, dpa: Deutsche Presse Agentur). [5]
Nach diesem kurzen Abriss stellen sich mir persönlich die Fragen:

  • Warum gibt es dann noch die unabhängigen Zeitungen, die wir als Endverbraucher täglich konsumieren?
  • Warum bringen die Nachrichtenagenturen nicht selbst ihre Informationen an den Mann?


Dafür sehe ich drei Gründe: Die Nachrichtenagenturen produzieren vor allem Text und Bilder. Das ist kostengünstig und Bilder transportieren effizient Emotionen. Die Zeitungen dienen dann hauptsächlich der Selektion der Informationen (was allerdings auch bereits durch Wertungen der Nachrichtenagenturen geschieht) und bereiten diese dann schön auf. Wir Konsumenten mögen eben immer mehr die audio-visuelle Verlesung der täglichen Ereignisse (auch Tagesschau genannt). Weiter dienen verschiedene Medienhäuser und -formate der Vervielfältigung der Informationen. Hier kommen auch wieder unsere oben eingeführten psychologischen Prinzipien ins Spiel. Es ist leicht zu sehen, dass eine
Information von vielen, scheinbar unabhängigen Quellen für uns viel glaubwürdiger erscheint, als wenn sie nur aus einem Nachrichtenhaus kommt. Dieser Effekt der Glaubwürdigkeit wird weiter verstärkt, wenn wir mit Leuten diskutieren, die dieselben Medien konsumieren. Der Überbegriff für diesen gesamten Effekt lautet Verfügbarkeitskaskade. [4][5]


«Offizielle Wahrheit» versus «Verschwörungstheorie»
Kehren wir zurück zu den «Verschwörungstheorien». Die bekanntesten Verschwörungstheorien der aktuellen Zeit ranken sich wohl um den Anschlag vom 11. September auf das World Trade Center und ist Pflichtprogramm in jeder kritischen oder unkritischen Abhandlung über Verschwörungstheorien. Für dieses Ereignis ist es höchst interessant, die offizielle Wahrheit mit der Verschwörungstheorie zu vergleichen. Machen wir das anhand der drei Hauptkriterien nach Michael Butter:

  1. Alles ist geplant
  2. Alles ist miteinander verbunden
  3. Nichts ist wie es scheint


Die «offizielle Wahrheit» besagt, dass der Anschlag im Auftrag des muslimischen Netzwerks al-Qaida in Afghanistan unter Osama Bin Laden geplant und ausgeführt wurde. Der Irak sei ebenfalls in diese Anschläge verstrickt und besässe zudem Massenvernichtungswaffen. Also
wurden alle drei Kriterien erfüllt. Die Verschwörungstheorie lautet: Es war eine Operation unter falscher Flagge. Die US-Regierung selbst hätte unter Präsident George W. Bush die Passagierflugzeuge in die zwei Türme des World Trade Center und in das Pentagon fliegen lassen, um den Rohstoffkrieg in Afghanistan zu rechtfertigen. Auch hier sind die Kriterien erfüllt. Der einzige Grund, warum die eine Geschichte als Verschwörungstheorie gilt und die andere nicht, ist das Etikett «offizielle Wahrheit», welches die erste Geschichte trägt. Ansonsten sind
in beiden Versionen diese schwammigen Klassifikationen von «Verschwörungstheorien» erfüllt. Mittlerweile deutet aber vieles darauf hin, dass die offizielle Version weit weg von der Wahrheit liegt und nur als Kriegspropaganda gedient hat. [6]
Dennoch ist es bis heute nicht abschliessend geklärt, was am 11. September 2001 wirklich passiert ist, da der Begriff Verschwörungstheoretiker beim Ansatz kritischer Untersuchungen gleich diffamierend eingesetzt wird. Dies zeigt das Beispiel von Daniele Ganser, einem ehemaligen ETH-Historiker, der dafür, dass er kritische Forschung zu 9/11 betreiben wollte, mit seiner Hochschullaufbahn bezahlen musste. [7]

Gibt es echte Verschwörungen?
Es gibt massenhaft konkrete Beispiele, bei denen effektiv eine «Verschwörung» nachgewiesen wurde. Der eine Fall dürfte allen bekannt sein: Es ist die Whistleblower-Affäre um Edward Snowden und die NSA. Hätte vor 2013 jemand gesagt, die Öffentlichkeit würde von den Amerikanern in grossem Stil überwacht, wäre er als Verschwörungstheoretiker abgetan worden. Hier ist es sogar so, dass die Wirklichkeit noch verrückter war als die Theorie selbst. [8]
Wer gerne eine Verschwörungstheorie mit dem Argument kontert, das sei alles viel zu gross, um geheim zu bleiben, dem sei das Beispiel der echten, weltweiten Verschwörung der Tabakkonzerne vorgestellt. Das Ziel war es, nachdem Anfang der 1950er-Jahren die ersten Studien zur Schädlichkeit von Tabakkonsum publiziert wurden, zu verschleiern, dass Rauchen Krebs verursacht, damit die Menschen weiterhin bedenkenlos Tabak konsumieren. Das Mittel der Wahl war leider die Wissenschaft selbst. Die Tabakkonzerne lullten Wissenschaftler ein, die dann Studien in ihrem Sinne erstellten. Sie machten das so geschickt, dass nicht unbedingt in jedem Fall Geld fliessen musste. So schafften die Tabakkonzerne es, die wissenschaftliche Welt mit so vielen Publikationen zu fluten, dass es, wie es so gerne heisst, kein wissenschaftlicher Konsens entstand. 2006 wurden die grossen Zigarettenhersteller vor Bundesgericht der USA schuldig gesprochen. Der Umfang, wie viele
Menschen insgesamt daran beteiligt waren, ist enorm. Natürlich wusste nicht jeder Beteiligte, dass er in eine Verschwörung involviert war und handelte daher auch nicht zwingend aus bösen Absichten. [9] [10]
Etwas, was für Verschwörungstheorien ebenfalls entscheidend ist, sind die sogenannten Elite-Netzwerke. Dies ist auch wieder so ein Begriff, doch schlussendlich kann man das nennen wie man will. Es geht darum, dass gut betuchte, einflussreiche, nicht demokratisch legitimierte Menschen enge Beziehungen zu Politikern pflegen, um so Einfluss zu nehmen. Wer behauptet, solche Netzwerke existieren nicht, verklärt die Realität. Eines der umfangreichsten, weltumspannenden Netzwerke ist die Mont Pèlerin Gesellschaft, die 1947 als neoliberaler Think-Tank in der Schweiz gegründet wurde und bis heute über 500 Tochtergesellschaften umfasst. Ihr erklärtes Ziel war es, den Kapitalismus so umzugestalten, dass der Markt keine staatlichen Barrieren mehr zu überwinden hat. Anders gesagt, sie entwickelten den Neoliberalismus und setzten diesen weltweit durch. Das führte dazu, dass sich die Arm-Reich-Schere immer weiter geöffnet hat. Die Mont Pèlerin Gesellschaft hat
unter anderem Lehrstühle gestiftet, um sich so die nächste Generation neoliberalistisch denkender Wirtschaftswissenschaftler heranzuziehen. Sie haben im diktatorischen Chile 1973 ein wirtschaftliches Experiment durchgeführt, dass dazu führte, dass fast die Hälfte der
Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben musste und die Reichsten dabei um 83% reicher wurden. Auch haben sie dafür gesorgt, dass mehrere Nobelpreise für Wirtschaft eigenen Mitgliedern verliehen wurden, um sich für weitgreifende politischen Massnahmen die
notwendige Seriosität zu schaffen. Logischerweise ist es schwierig, für ein bestimmtes politisches Ereignis direkte Verbindungen der Mitwirkenden nachzuweisen, da solche Netzwerke sehr diskret arbeiten und meist auch keine, oder zumindest keine vollständige,
Mitgliederliste existieren. [11] [12]


Gefährlichkeit von Verschwörungstheorien
Ja, ganz offen gesprochen, Verschwörungstheorien können auch gefährlich sein. Jedoch muss man aufpassen, wer die Verschwörungstheorie dabei für welche Zwecke instrumentalisiert. Dies zeigt das Beispiel der «Protokolle der Weisen von Zion». Diese Schrift, die um den Beginn des 20. Jahrhunderts auftauchten, sollten eine, jüdische Weltverschwörung belegen. Für die junge NSDAP war diese Geschichte ein gefundenes
Fressen und wurde gezielt zur Propaganda eingesetzt. Also spätestens nach derMachtergreifung der Nationalsozialisten war diese Verschwörungsideologie zur offiziellen Wahrheit geworden und konnte somit ihre ganze Gefährlichkeit erst richtig entfalten. [8]
Wer jetzt noch dabei ist und ein Fazit erwartet, wird enttäuscht. Mein Wunsch ist, dass ihr euch selbst eure Gedanken zu den präsentierten Fakten macht. Was ich euch grundsätzlich gerne mitgeben würde, und da bin ich ganz mit Daniele Ganser, der leider immer wieder gerne als Verschwörungstheoretiker verschrien wird: Sobald eine Geschichte in irgendeiner Form Hetze gegen eine Volksgruppe darstellt, sei es aufgrund der Abstammung, der Hautfarbe, der Religion, der Nationalität oder des Geschlechts, sollte man immer vorsichtig sein. Demjenigen, der uns diese Geschichte glauben machen will, sollte grundsätzlich und von ganzem Herzen misstraut werden.

Referenzen:

[1] Verschwörungstheorie. (o. D.). Online Lexikon Wikipedia. Abgerufen am 3. Mai 2021, von https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwörungstheorie


[2] COMPACT Education Group. (2020, April). Leitfaden Verschwörungstheorien. https://conspiracytheories.eu/wpx/wp- content/uploads/2020/04/COMPACT_Guide_Deutsch-2.pdf

[3] Original : « If You don’t read the newspaper, you are uninformed. If you do read the newspaper, you are misinformed. » (o. D.). Zitate berühmter Personen. Abgerufen am 3. Mai 2021, von https://beruhmte-zitate.de/zitate/1998339-mark-twain-wenn-sie-die-zeitung-nicht- lesen-sind-sie-nicht-i/

[4] Kahneman, D. (2016). Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin Verlag TB.

[5] Zschunke, P. (2016). Nachrichtenagenturen: Ein Überblick. agenturjournalismus.de: Ein Portal für Nachrichtenjournalisten. https://www.agenturjournalismus.de/index.php/basiswissen/9-nachrichtenagenturen-ein- ueberblick

[6] Ganser, D. (2020). Imperium USA: Die skrupellose Weltmacht. Orell Füssli Verlag.

[7] SRF Einstein. (2017, 30. Januar). Die Anatomie von Verschwörungstheorien [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=F5UCSl04oSk

[8] Globale Überwachungs- und Spionageaffäre. (o. D.). Online Lexikon Wikipedia. Abgerufen am 3. Mai 2021, von https://de.wikipedia.org/wiki/Globale%C3%9Cberwachungs-_und_Spionageaff%C3%A4re


[9] Forschung, Fake und faule Tricks. (2021). [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=N2zcsmrVIDQ


[10] Levin, M. (2016, 18. August). Big Tobacco Is Guilty of Conspiracy. Los Angeles Times. https://www.latimes.com/archives/la-xpm-2006-aug-18-na-smoke18-story.html


[11] Mont Pèlerin Society – Die Anstalt 7. November. (2017). [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=vzUNwWpk6CE


[12] ZDF. (2017). Die Anstalt: Der Faktencheck. Die Hintergründe zur Sendung vom 7. November 2017. https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiS5obv_63wAhUItaQKHf7yB9wQFjAAegQIAhAD&url=https%3A%2F%2Fwww.zdf.de%2Fassets%
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